Spankorbflechten – Eine lebendige Tradition startet in ihr drittes Jahrhundert
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Etwas verwunderlich ist es schon: Das Flechthandwerk - immaterielles Kulturerbe seit 2016 - existiert vermutlich schon solange, wie die Menschheit selbst. Das Flechten der erzgebirgischen Spankörbe ist hingegen aber erst vor 200 Jahren erstmalig aktenkundig geworden.1 Mit dem Ursprung dieser Technik in Lauter und Bockau fand in diesem Jahr eine Vernetzungsinitiative und zahlreiche Vorstellungen dieser span(n)enden Tradition durch den Erzgebirgszweigverein Lauter statt. Finanziell unterstützt wurden die Aktivitäten u.a. durch das Regionalbudget der LEADER-Region Westerzgebirge. Diese sollen lediglich den Anfang für eine gemeinschaftliche Weiterentwicklung der Tradition in der Region bilden. So soll aus verschiedenen Blickwinkeln heraus den Herausforderungen für den Fortbestand der Handwerkstechnik in ihrem nächsten Jahrhundert begegnet werden. Vordergründig geht es dabei um die Gewinnung von Nachwuchs, besonders hinsichtlich des Wiedererlernens von verlorengegangenen Fertigkeiten, die schlechter werdenden Holzqualitäten in Zeiten des Klimawandels sowie die Überführung der Technik in moderne Produkte. Für die Entwicklung von nachhaltigen Lösungsansätzen soll die Vernetzung mit verschiedensten Akteurinnen und Akteuren die initiierenden Impulse bringen.
Das Besondere an den Spankörben ist die Gewinnung des Flechtmaterials aus Fichte durch das handwerklich sehr anspruchsvolle Aufspalten des Holzes bis hin zu den einzelnen Jahrringen. Aus den so hergestellten elastischen und beanspruchbaren „Schienln“ mit einer Länge von bis zu 1,30 Meter, flechtet Gudrun Herrmann vom EZV Lauter gemeinsam mit der sich regelmäßig treffenden Spankorbgruppe noch heute Körbe in verschiedenen Größen. Genauso, wie es damals im 19. und 20. Jahrhundert in zahlreichen Haushalten für den Erwerb praktiziert wurde.
1 Andreas Martin: Spankörbe aus dem Erzgebirge. Vom Nebenerwerb zum Wegbereiter dörflicher Industrialisierung (Spurensuche. Geschichte und Kultur Sachsens, Bd. 4), Dresden 2010, hier: S. 14.
Historische Forschung lässt staunen
Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Spankorb-Tradition und der Begleitung der letzten Lauterer Spankorbmacher in den 1980er Jahren, erarbeitete Andreas Martin grundlegende Erkenntnisse zur historischen Entwicklung, der Handwerkstechnik und der großen regionalen Bedeutung der Spankorbherstellung. So wurden die besonderen Körbe aus dem Erzgebirge nach Frankreich, England und sogar bis nach New York exportiert. Das Herstellverfahren dieser erzgebirgischen Behältnisse bildete damit die ökonomische Grundlage für die Entwicklung bedeutender Industriebetriebe in der Region. Auch ein Dokumentarfilm im Super8-Format entstand im Rahmen von Andreas Martins Forschung, in dem man das Handwerk in faszinierender, historischer Aufmachung nachvollziehen kann. Dieser sehenswerte Film kann hoffentlich schon bald auch in der Heimatstube-Ausstellung in Lauter gezeigt werden. Die wertvolle Aufarbeitung der Spankorb-Geschichte zeigt hoch interessante Parallelen zur neu aufgenommenen Betrachtung der Tradition auf. So kann man in Martins Buch über die Spankörbe auch nachlesen, wie die erschwerte Materialbeschaffung aufgrund von knappem, hochpreisigem Holz in der benötigten Qualität die Produktion zunehmend beeinträchtigte und wie Spankorbmacher nach Oberfranken abwandern mussten. Auf diesem Wege gelangte das Handwerk in die angrenzende Region.
Lichtenfels als wegweisender Leuchtturm
Als Teil der Flechtkultur mit ihrer weltweiten Verbreitung, unglaublichen Vielfalt an eingesetzten Materialien und einem beeindruckenden Spektrum von geflochtenen Produkten, profitiert auch die Spankorb-Tradition von einer bereits hervorragenden Traditionspflege und Übertragung in unsere heutige Zeit. Doch gerade diese Gesamtbetrachtung macht deutlich, dass das Flechten aus Holzspänen, im Gegensatz zu den üblichen Materialien wie Weide und Rattan, eine echte Seltenheit ist. Die nicht weit entfernte oberfränkische Stadt Lichtenfels ist für die lebendige Flechtkultur Dreh- und Angelpunkt, vor allem mit dem jährlich stattfindenden Flecht-Kultur-Festival & Korbmarkt (2025 bereits zum 44. Mal) mit internationaler Ausrichtung und moderner Gestaltung und Produktentwicklung aus der Tradition heraus.
So durfte der EZV Lauter den Geschäftsführer Manfred Rauh vom Zentrum europäischer Flechtkultur Lichtenfels sowie die gebürtige Erzgebirgerin Jennifer Rubach (JeRu Flechtwerk) mit wertvollen Einblicken in ihre Arbeiten und Projekte begrüßen. Zusätzlich stellte sich die überregionale Verbindung auch durch die Kontaktaufnahme mit dem ureingesessenen Spankorbmacher Werner Herold in Mistelfeld (neben Lichtenfels) als besonderer Segen heraus, denn dieser hilft ab sofort auch ganz praktisch bei der Versorgung der erzgebirgischen Spankorbmacherinnen und -macher mit den begehrten „Schienln“ aus Fichtenholz.
Vom „Schienln“ machen und der Suche nach dem richtigen Holz
Der anhaltende Engpass an Flechtmaterial aus Fichte ist das wesentliche Hindernis für den weiteren Fortbestand der Spankorbherstellung im Erzgebirgszweigverein. So hatte der Tod von Martin Herrmann vor drei Jahren - er war der Einzige, der die Handwerkskunst des Spaltens in der Region noch beherrschte - zur Folge, dass die Herstellung der Flechtspäne im Verein zum Erliegen kam.
Mühsam mussten und müssen sich die Aktiven der Spankorbgruppe diesen Arbeitsschritt des Handwerks neu aneignen. Was in den Dokumentationen und vom früheren Beobachten des Profis so einfach erschien, erweist sich beim Nachahmen als frustrierendes Gedulds- und Geschicklichkeitsspiel.
Doch begründet sich der geringe Output an brauchbaren Flechtspänen gewiss nicht nur am Können der engagierten Lehrlinge des Vereins, die sich dieses Jahr sogar schon zweimal auf den Weg nach Lichtenfels zum letzten bekannten Span-Spalter gemacht haben. Auch die Qualität des Fichtenholzes ist maßgeblich für das unbefriedigende Ergebnis verantwortlich.
Das heutzutage auf herkömmlichem Wege beschaffbare Holz weist zu unregelmäßige und zu grobe Jahrring-Strukturen auf. Hintergrund sind die sich häufenden langen Trockenperioden und Wetterextreme, aber auch lichtere Anpflanzungen für schnelleres Wachstum. Erschwerend kommt hinzu, dass das Wissen darüber auch wieder neu erlernt werden muss, wie am unbearbeiteten Stamm bzw. bereits noch am stehenden Baum die richtige Qualität bestimmt werden kann. Diesbezüglich ist es eine glückliche Verbindung, mit dem Forstbezirk Eibenstock vom Staatsbetrieb Sachsenforst zusammenarbeiten zu können. Das Forstpersonal weiß, unter welchen klimatischen Bedingungen die Bäume ideal für feine und gleichmäßige Jahresringe im Holz wachsen, auch wenn diese für die Fichte auch im Erzgebirge nur noch sehr selten gegeben sind. Mit neuem Bewusstsein für den wertvollen Fortbestand der Tradition macht sich der Forst nun auf die gezielte Suche.
Die Frage liegt nahe, ob denn nicht auch andere Holzarten für das Aufspalten der Flechtschienen herangezogen werden könnten. Doch ist es eben ein besonderes Alleistellungsmerkmal des Fichtenholzes, dass bei engstehenden Jahrringen und astfreien, geradwüchsigen Abschnitten die richtige Qualität an Belastbarkeit und Flexibilität hervorgebracht werden kann.
Mit Kreativität und Gestaltung zu neuen Impulsen
Auch Jacob Strobel, Professor für Holzgestaltung an der Fakultät für Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau, beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Spankorb-Tradition aus einer gestalterischen Perspektive. So ist er sogar auf eigene Flechtwerk-Wurzeln bei seinen Vorfahren gestoßen und macht sich mit seiner Expertise im Möbeldesign vor allem auch stark für ökologische Produktgestaltung. Für die kreativen Grundlagen seiner Arbeit wird er immer wieder fündig bei der Betrachtung historischer Konzepte. Seine neueste Arbeit zur Aufarbeitung und Neuentwicklung des DDR-Stuhlklassikers EW1192 ist aktuell im Industriemuseum Chemnitz ausgestellt. Jacob Strobel stellt mit seiner Betrachtung der Spankorb-Tradition die besondere Ressourcenschonung und Regionalität der Produktionsweise heraus und sieht in der Verarbeitungstechnik viel Inspiration für moderne Produkte. Auch stieß er bei seinen Recherchen bereits auf bedeutende Referenzen, wie zum Beispiel den Power Play Club Chair des weltberühmten Architekten Frank Gehry, welcher inspiriert wurde von einem Apfel-Obstkorb aus seiner Kindheit. Das versammelte Spankorb-Netzwerk staunte sehr und es wurden direkt Gedanken ausgetauscht: ob es sich vielleicht um einen Lauterer Korb gehandelt haben könnte, der damals auch seinen Weg nach Übersee fand? Jacob Strobel arbeitete bereits mit internationalen Gästen in einem EU-geförderten Workshop mit der Spankorb-Technologie und führt im Wintersemester 2025/2026 auch erstmalig ein ganzes Semester-Projekt unter dem Titel "TRAGENDER WANDEL / CONTAINING TRANSFER" durch.
Die letzte Spankorbfabrik im Erzgebirge
Ein wichtiger Anlaufpunkt für die Designstudierenden ist dabei Grünstädtel in Schwarzenberg. Dort befindet sich die Erzgebirgische Spankorbmanufaktur von Annette Rüffer, die die letzten maschinell hergestellten Spankörbe aus der Region produziert. Die Fertigung ist bei Weitem nicht mehr so umfangreich wie noch bis 1989, wo bis zu 3.000 Körbe täglich produziert und ausgeliefert wurden. Dennoch entschloss sich die Familie, ihren Betrieb nach der Wende von der Treuhand zurückzukaufen und die traditionsreiche Herstellung weiterzubetreiben, mit exklusiven Verpackungsprodukten für z.B. Feinkostproduzenten. Die in der Fabrik zur Anwendung kommende Technologie basiert auf dem händischen Flechten von Schälfurnier-Streifen und ist damit grundsätzlich anders als die aufwendigere Ursprungsvariante. Sie hat dadurch aber den Vorteil, dass immer ausreichend Flechtmaterial verfügbar ist. Auch ermöglicht diese Technik, das andere Holzarten ausprobiert und verwendet werden können. Für den Fortbestand des Handwerks und der Tradition ist dies ein großer Gewinn. Denn in Grünstädtel wurden die Fabriktore auch schon für erste Gruppen-Workshops geöffnet, bei denen die Besucherinnen und Besucher unter Aufsicht und Anleitung das Flechthandwerk erlernen und eigene Produkte fertigen konnten. Durch solch eine erlebbare Fabrik wird auch die Lehre und Produktentwicklung an der Fakultät in Schneeberg besonders unterstützt. Können wir uns also vielleicht auch schon bald an neuen Spankorb-Modellen oder gänzlich neuen Produktkategorien erfreuen, die wir so bisher noch nicht aus „Schienln“ kannten?
Das dritte Jahrhundert ist eingeläutet
Die vielen Aktivitäten des EZV Lauter zum Spankorb in 2025 sorgten für eine hohe Wahrnehmung der Tradition in der Öffentlichkeit und eine Festigung des Netzwerks für die Verfolgung verschiedener Ansätze und Projekte. So wird es auch im kommenden Jahr zahlreiche Möglichkeiten geben, das Handwerk zu erleben. Auch Thomas Kunzmann, Bürgermeister der Stadt Lauter-Bernsbach, ist fest entschlossen, die Tradition im Rahmen einer aktiven Stadtkultur sowie für den Tourismus zukünftig noch intensiver zu nutzen. Die Herausforderungen werden gemeinschaftlich angegangen, sodass die Flechterinnen und Flechter sowie auch die vielen neuen Spankorb-Interessierten im EZV Lauter bald wieder umfassend in den Genuss dieses freudestiftendenden Handwerks kommen können. Wir sind sehr gespannt, was das neue Jahrhundert der Spankörbe alles mit sich bringen wird.
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Zukunft Westerzgebirge e.V. | LEADER-Region Westerzgebirge | Projekt „Lebendiges Holz“
Rosa-Luxemburg-Straße 19
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Ansprechpartner Philipp Salzmesser
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